Warum Schlaf für unsere Kinder so wichtig ist - Teil 2

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Ausgeschlafen, fröhlich und aufgeschlossen oder müde, mürrisch und zurückhaltend – Was gesunder Schlaf ihres Kindes mit dessen Gefühlsleben und damit, Freundschaften zu schließen, zu tun hat?

Im ersten Beitrag dieser Serie ging es darum, dass Schlaf für die Entwicklung des Gehirns von zentraler Bedeutung ist und Schlafdefizite in der Kindheit die Vernetzung des Gehirns überdauernd verändern. Je nachdem, ob Kinder ihrem natürlichen Bedürfnis entsprechend schlafen oder zu wenig schlafen, kann das Gehirn seine Strukturen optimal aufbauen oder diese Bauarbeiten weniger optimal ausführen. An dieser Stelle sei betont: Schlaf ist hier zwar ein wichtiger Einflussfaktor, aber nicht der Einzige!

So weit so gut, aber was bedeutet das? Wie wirken sich Unterschiede in den Netzwerken des Gehirns aus? Sind Kinder, die weniger schlafen, dann etwas weniger schlau?

Nein, es ist allumfassender als das! Wir wissen heute, dass Unterschiede in der Architektur des Gehirns, also darin wie verschiedene Hirnregionen miteinander vernetzt sind und über dieses Netzwerk miteinander kommunizieren, mit Unterschieden im menschlichen Erleben und Verhalten zusammenhängen. Unterschiede im Netzwerk beeinflussen, wie wir die Welt, in der wir leben, wahrnehmen, interpretieren und darauf reagieren. So ist die Architektur des Gehirns von Menschen, die eher dazu neigen, die Welt als bedrohlich oder gefährlich wahrzunehmen und gestresst oder ängstlich zu reagieren, anders als die von Menschen, die eher zu einer positiven Wahrnehmung ihrer Umwelt sowie zu gelassenen Reaktionen neigen.

So … und jetzt ganz konkret! Was finden Studien heraus, wenn Kinder mit gesunden Schlafgewohnheiten verglichen werden mit Kindern, die wenig schlafen oder Schlafprobleme haben.

Es existieren zahlreiche Studien, welche die Kosten ungesunder Schlafgewohnheiten und die Vorteile gesunden Schlafs in verschiedenen Bereichen der kindlichen Entwicklung belegen. Dieser Blogartikel schaut auf die Auswirkungen für die soziale und emotionale Entwicklung. Wir beginnen mit den Kleinsten und kommen dann zu den größeren Kindern.

Das sagt die Forschung! – Was Schlaf damit zu tun hat, wie ich mit anderen und mir selbst klarkomme …

… wenn ich noch sehr klein bin

  • Eine Studie zeigte, dass je schlechter Kleinkinder zwischen 1 und 3 Jahren nachts durchschlafen, desto höhere Werte des Stresshormons Kortisol weisen sie auf. Zudem wurden die Kinder dieser Studie von ihren Erziehern hinsichtlich ihres Verhaltens in der Gruppe und ihrer Emotionalität eingeschätzt. Die Kinder mit höheren Werten in dem Stresshormon waren auch die Kinder, die von ihren Erziehern als sozial eher zurückgezogen sowie einsam und emotional eher als traurig, nervös oder ängstlich beurteilt wurden.
  • Andere Studien zeigen, akute Übermüdung mit 14 Monaten führt dazu, dass die Kleinen mehr Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu regulieren und sich von negativen Gefühlszuständen zu erholen, als wenn sie gut ausgeruht sind.
    • Eine andere Studie fand heraus, Kinder, die im Alter von 18 Monaten nachts 10 Stunden oder weniger schlafen, oder mehr als 3 mal aufwachen, mit 5 Jahren häufiger emotionale oder Verhaltensprobleme aufweisen.
  • Kinder mit Ein- und Durchschlafschwierigkeiten im Alter zwischen 2 und 3 Jahren zeigen mehr Überaktivität, Ärger, Aggression Impulsivität, Wutanfälle und störendes Verhalten (auch als externalisierendes Verhalten bezeichnet) als Kinder ohne Schlafprobleme.
  • Weiter zeigen Studien, dass Kinder, die mit 4 oder 5 Jahren nachts nicht durchschlafen, größere Probleme haben sich in der Vorschule anzupassen. Weniger Schlaf hing zusammen mit mehr aggressiven, trotzigen und provokativen Verhaltensweisen.
  • Zudem weisen Studien auf die Bedeutung des nächtlichen Schlafs hin. Kinder, die nachts zu kurz schlafen, zeigen mehr externalisierendes Verhalten und das auch dann, wenn sie tagsüber einen längeren Mittagsschlaf und dadurch über 24 Stunden insgesamt auf die gleiche Schlafdauer kamen wie andere Kinder. Eine zu kurze nächtliche Schlafdauer wird also nicht durch einen längeren Mittagsschlaf kompensiert.

… und wenn ich größer werde

  • Die Zusammenhänge und Auswirkungen des Schlafverhaltens auf die sozial-emotionale Entwicklung zeigen sich auch bei älteren Kindern: Eine Studie untersuchte langfristige Auswirkungen der Schlafdauer von Kindern zwischen 7 und 8 Jahren. Die Kinder mit kurzer Schlafdauer zeigten später im Jugendalter verstärkt hyperaktives und impulsives Verhalten.
  • Einige Studien verkürzten die Schlafdauer von 7- bis 12-Jährigen für einige aufeinanderfolgende Nächte um eine Stunde. Das führte bei den Kindern dazu, dass sie weniger emotional positive Reaktionen zeigten. Hingegen traten negative Emotionen wie Gereiztheit oder Frustration schneller auf und die Kinder hatten größere Schwierigkeiten, Impulse und Emotionen zu regulieren. Dagegen bewirkte die Verlängerung der üblichen Schlafdauer um nur 27 Minuten eine messbare Verbesserung der emotionalen Stabilität und reduzierte ruheloses-impulsives Verhalten. Bereits kleine Veränderungen in der Schlafenszeit können also enorme Effekte haben.

Dass Schlaf und das emotionale Erleben von Kindern zusammenhängen, zeigen auch die folgenden Studienergebnisse:

  • Schlafprobleme bei 8-Jährigen sagen depressive Symptome im Alter von 10 Jahren vorher;
  • von Teenagern, die unter nächtlichen Schlafproblemen leiden, haben Mädchen bis zum 21. Lebensjahr ein bis zu 6-fach erhöhtes Risiko, eine depressive Störung zu entwickeln, während Jungs ein höheres Risiko für den Konsum von Drogen wie Alkohol oder Cannabis aufweisen;
  • und Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren, die für ein Experiment für drei Nächte nicht länger als 6 ½ Stunden schliefen, zeigten eine Verschlechterung ihrer Stimmung und waren weniger gut in der Lage, ihre Emotionen zu regulieren.

Zudem scheint der Schlaf vor Mitternacht eine besondere Rolle für die emotionale Gesundheit zu spielen: Bei Siebtklässlern sagen späte Schlafenszeiten die emotionale Belastung 6 bis 7 Jahre später vorher. Junge Erwachsene, die in der 7. Klasse spät ins Bett gegangen waren (23.45 Uhr oder später), berichteten mehr Traurigkeit und depressive Gefühle und gaben an, mehr als einmal pro Woche zu weinen. Wie viel sie als Siebtklässler nachts insgesamt geschlafen hatten (also z.B. spät ins Bett, aber dafür auch spät aufgestanden), stand hingegen nicht im Zusammenhang mit der späteren emotionalen Belastung.

Schließlich ein Blick auf die Erwachsenen …

… auch bei ihnen beeinflusst Schlaf das emotionale und soziale Verhalten: Studien zeigen, dass Schlafentzug Hirnfunktionen vorübergehend ändert. Diese Veränderungen können sich im Verhalten beispielsweise als beeinträchtigte zwischenmenschliche Kompetenzen bemerkbar machen, wie einer verminderten Fähigkeit, sich empathisch in andere hineinzuversetzen oder impulsives Verhalten erfolgreich zu regulieren (erst denken, dann reden).

Fazit – Schlaf hängt damit zusammen, wie Kinder sich fühlen und auf ihre soziale Umwelt reagieren.

Die Befunde aus der Schlafforschung sind eindeutig: Schlaf hat massive Auswirkungen auf die Gefühlswelt unserer Kinder, d.h. darauf, wie sie emotional auf ihre Umwelt reagieren, wie gut sie regulierend auf ihre emotionalen Reaktionen Einfluss nehmen können und somit, ob sie mehr oder weniger gut in der Lage sind, aus einem negativen emotionalen Zustand heraus wieder in einen neutralen oder positiven Zustand zu gelangen. Kinder und Jugendliche, die wenig schlafen oder Schlafprobleme haben, neigen häufiger dazu, mit negativen Gefühlszuständen zu reagieren, sind weniger gut in der Lage, Einfluss auf diese zu nehmen und verharren länger in der negativen Stimmung.

Kinder, die ihre Emotionen und Impulse besser regulieren können, fällt es auch leichter, Freundschaften zu schließen und aufrechtzuerhalten. Sie sind sozial verträglicher, werden anerkannt und gemocht. Für sie ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, ihre sozialen Kompetenzen im Kontakt mit anderen auszubauen. Beides – Kompetenzen im Umgang mit den eigenen Emotionen und Kompetenzen im zwischenmenschlichen Kontakt – hilft ein Leben lang, Zufriedenheit und Wohlbefinden zu erhalten und schützt vor psychischen Problemen. Erholsamer Schlaf hilft Ihrem Kind, diese Kompetenzen zu entwickeln.

Und beim nächsten Mal …

Puuh … das war viel.
Schlaf kann aber noch mehr! Er beeinflusst auch die körperliche Entwicklung, die Entwicklung körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit oder die Entwicklung des Temperaments. Dazu mehr in den nächsten Beiträgen dieser Serie. Bis dahin wünschen wir einen erholsamen Schlaf!